Widerruf der anwaltlichen Zulassung bei Insolvenz des Rechtsanwalts

Die Chancen des Erhalts der Zulassung trotz „Vermögensverfalls“

Auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, in aller Regel wegen „Vermögensverfalls“ seitens der Kammer die Zulassung entzogen, wodurch den Betroffenen die Grundlage für ihre Berufsausübung genommen wird. Nur in Ausnahmefällen ist der Erhalt der anwaltlichen Zulassung im Insolvenzfall möglich. Hierfür ist die Anstellung in einer Anwaltssozietät zwingend erforderlich. Durch die Vorlage eines Insolvenzplans kann das Insolvenzverfahren jedoch schnell zur Aufhebung gebracht werden, so dass der Grund für den Zulassungswiderruf zeitnah entfällt und die Berufsausübung wieder uneingeschränkt möglich ist.

Vermögensverfall gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO

Wie jede andere Berufsgruppe können auch Rechtsanwälte in eine wirtschaftliche Krise geraten. Bei Rechtsanwälten besteht jedoch die Besonderheit, dass mit der Insolvenz oftmals auch der Verlust der anwaltlichen Zulassung einhergeht. In der Regel erfüllt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, wonach die Rechtsanwaltskammer die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen „Vermögensverfalls“ widerrufen kann. Wörtlich heißt es dort:

„Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen, … wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis (§ 882b der Zivilprozessordnung) eingetragen ist.“

Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschl. v. 21.04.2016) geht davon aus, dass ein Vermögensverfall dann anzunehmen ist, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen, wobei als Beweisanzeichen hierfür insbesondere (BGH, Beschl. v. 15.12.2017) die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn zu werten sind. Soweit über das Vermögen des Rechtsanwalts ein Insolvenzverfahren eröffnet oder der Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsgerichts eingetragen ist, wird der Eintritt des Vermögensverfalls  wie sich aus dem vorstehenden Wortlaut der BRAO ergibt – bereits gesetzlich vermutet, so dass es auf weitere Beweisanzeichen nicht mehr ankommt.

Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung müssen dabei grundsätzlich spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerrufsverfahrens vorliegen. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Rechtsanwalts wie beispielsweise die Unterschlagung von Fremdgeldern oder die Begehung sonstiger Vermögensdelikte spielt für den Zulassungswiderruf übrigens keine Rolle. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist somit im Regelfall schon ausreichend, auch wenn der Anwalt sich im Rahmen seiner Berufsausübung stets in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verhalten hat.

Fehlender Vermögensverfall trotz Insolvenzeröffnung?

Trotz der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Rechtsanwalts kann ausnahmsweise das Vorliegen des Vermögensverfalls zu verneinen sein, wenn ein Insolvenzverfahren zu Unrecht eröffnet worden ist, obwohl also die Voraussetzungen für die Insolvenzeröffnung im Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung gar nicht gegeben waren oder wenn im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens ein Insolvenzplan gemäß § 248 InsO oder ein Schuldenbereinigungsplan gemäß § 308 InsO vorgelegt worden sind, bei deren Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird.

Ein Insolvenzplan ist daher für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der wirtschaftlichen Krise ein besonders wichtiges Instrument, um die Möglichkeit der weiteren Berufsausübung zu erhalten. Wird die anwaltliche Zulassung widerrufen, ist der betroffene Rechtsanwalt für die gesamte Dauer des eröffneten Insolvenzverfahrens bis zur Ankündigung der Restschuldbefreiung daran gehindert, seinen Beruf auszuüben und damit pfändbare Überschüsse zu erwirtschaften, die letztlich auch seinen Gläubigern zugute kommen könnten. Mit Blick darauf, dass ein Insolvenzverfahren, in dem kein Insolvenzplan vorgelegt wird, durchschnittlich drei Jahre dauern kann, dürfte es sich um eine nicht unerhebliche Zeitspanne handeln.

Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls und Berufsfreiheit (Art. 12 GG)

Da der Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls faktisch dazu führt, dass ein Rechtsanwalt seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, wurde immer wieder geltend gemacht, dass der Zulassungswiderruf einen unangemessenen Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle. Dieser Einwand konnte aber einer höchstgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. So konnte der Bundesgerichtshof (BGH, Beschl. v. 14.10.2022) in einem Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls eine unangemessene Beeinträchtigung des Art. 12 Abs. 1 GG nicht erkennen, da eine Güterabwägung ergebe, dass der Schutz der Rechtsuchenden und der Schutz vor einem möglichen Zugriff der Gläubiger des Rechtsanwalts auf die von diesem gehaltenen Fremdgelder als höherrangige Rechtsgüter den Widerruf der Zulassung rechtfertigen würden.

Ausnahme vom Zulassungswiderruf bei Anstellung in Anwaltssozietät

Möchte ein Rechtsanwalt, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, weiterhin anwaltlich tätig sein, besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen die Chance, dass von einem Zulassungswiderruf abgesehen wird. Hierfür müsste der Rechtsanwalt seine Tätigkeit als Angestellter einer Sozietät ausüben, deren strenger Kontrolle er sich in seiner Berufsausübung unterwirft.

Diese engmaschige Kontrolle muss auch in der konkreten Vertragsgestaltung des Anstellungsvertrages zum Ausdruck kommen. In dem Anstellungsvertrag sollte insbesondere der Umgang mit Mandantenzahlungen streng reglementiert und das Arbeitsverhältnis idealerweise so gestaltet sein, dass Verfügungen über Fremdgelder bzw. schon Zugriffshandlungen auf Fremdgelder möglichst vollständig ausgeschlossen sind.

Die Fortsetzung oder Wiederaufnahme der anwaltlichen Tätigkeit in einer Einzelkanzlei wird für die Erhaltung der Zulassung oder ihre Wiedererteilung nicht ausreichen, weil die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen des betroffenen Rechtsanwalts dort nicht ausreichend überwacht werden könnte. Hilfreich für die Gesamteinschätzung der Vertrauenswürdigkeit des Anwalts kann zu seinen Gunsten ferner der Umstand sein, dass der Anwalt den Insolvenzantrag selbst gestellt und bis zur Antragstellung einen tadellosen Ruf genossen hat.

Zwar ist die Möglichkeit der Fortsetzung oder Wiederaufnahme der anwaltlichen Tätigkeit in der Insolvenz eines Rechtsanwalts an sehr strenge Voraussetzungen gebunden, doch bleibt zu beachten, dass diese Einschränkungen nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens bis zur Ankündigung der Restschuldbefreiung und somit ‒ mit Blick auf ein gesamtes Berufsleben ‒  nur für einen überschaubaren Zeitraum gelten.

Gleichwohl ist für Berufsträger vor diesem Hintergrund besondere Vorsicht geboten, um möglichst gar nicht erst in eine Insolvenzsituation und deren Konsequenzen für die weitere Berufsausübung zu geraten. Denn auch innerhalb eines überschaubaren Zeitraums besteht zweifellos die Gefahr, den Anschluss zu verlieren.

Insolvenzplan als Handlungsalternative

Sollte eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt trotzdem in die Insolvenz geraten, ist die Erstellung und Vorlage eines Insolvenzplans im eröffneten Insolvenzverfahren die bestmögliche Handlungsalternative, um das Insolvenzverfahren schnellstmöglich zu beenden und die Möglichkeit der Berufsausübung durch Wiedererlangung der Zulassung wiederherzustellen. Überdies bietet der Insolvenzplan in aller Regel auch die bestmöglichen Befriedigungsaussichten für die Gläubiger.

Über die Autorin

Rechtsanwältin Claudia Rumma

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