Versagung der Restschuldbefreiung: Besteht eine Amtsermittlungspflicht?

Gläubiger, die einen Versagungsantrag gegen ihren Schuldner stellen wollen, sollten sich nicht darauf beschränken, einzelne Passagen aus den vorgelegten Berichten des Verwalters zu zitieren, die ihrer Ansicht nach bereits ein Fehlverhalten des Schuldners belegen, sondern genau prüfen, ob damit bereits ein Versagungsantrag schlüssig begründet ist. Darüber hinaus sollten sich aber auch die Gläubiger insgesamt darüber im Klaren sein, dass Bagatellverstöße kaum die harte Sanktion der Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen.

Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Versagung der Restschuldbefreiung zeigt die Schwierigkeiten der Gläubiger auf, einen entsprechenden erfolgreichen Antrag gegenüber ihrem Schuldner stellen zu können (vgl. BGH, Beschl. v. 70.03.2024 – IX ZB 47/22).

Worum geht es?

Mit dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung für den Fall in Aussicht gestellt, dass er seinen Obliegenheiten nachkommt und Versagungsgründe nicht vorliegen. Der Schuldner ist von Beruf Maschinenbauingenieur. Sein monatliches Bruttogehalt beträgt laut Bericht der Insolvenzverwalterin EUR 1.700,00.

Zudem wurde dem Schuldner ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt, woraus sich ein zusätzlicher monatlicher Bruttoverdienst in Höhe von EUR 1.012,70 für ihn ergab. Die sich aus dem Gesamteinkommen von EUR 2.712,70 errechnetenpfändbaren Beträge führte der Schuldner an die Insolvenzverwalterin ab. Unter Bezugnahme auf den Bericht der Insolvenzverwalterin hat ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt, weil der Schuldner seine Erwerbsobliegenheiten verletzt habe.

Daraufhin hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners war erfolglos. Das Beschwerdegericht hat nach Einholung einer Auskunft der Bundesagentur für Arbeit das Vorliegen der Voraussetzungen einer Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO bejaht.

Es führte aus, dass die vom Schuldner ausgeübte Erwerbstätigkeit in Anbetracht seiner beruflichen Qualifikation nicht den an ihn zu stellenden Anforderungen entspreche. Bei einem anderen Arbeitgeber habe er ein Bruttogehalt von EUR 6.513,00 bis EUR 6.900,00 im Monat erzielen können. Aus diesem Grunde sei sein tatsächliches Bruttoeinkommen von monatlich EUR 1.700,00 im Vergleich unangemessen niedrig.

Zudem sei mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Schuldner bei Vornahme der ihm obliegenden, tatsächlich aber vollständig unterbliebenen Bemühungen eine höher bezahlte Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen gefunden hätte. Nichtsdestotrotz hatte die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen die Versagung der Restschuldbefreiung Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hob die angefochtene Entscheidung sowie den vorangegangenen Beschluss des Insolvenzgerichts auf und verwarf den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung als unzulässig. Denn der Versagungsantrag war bereits unschlüssig.

Zwei leitende Grundsätze tragen diese Entscheidung, die der Gläubiger als ungerecht empfunden haben dürfte. Zum einen greift die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts zu den Voraussetzungen eines Versagungstatbestandes erst ein, wenn der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zulässig ist. Zum anderen ist ein Versagungsantrag nur zulässig, wenn das Vorliegen eines Versagungsgrundes schlüssig dargelegt und erforderlichenfalls glaubhaft gemacht ist. Dabei ist ausschließlich der bis zum Schlusstermin gehaltene und glaubhaft gemachte Vortrag des Antragstellers zu berücksichtigen.

Amtsermittlungspflicht setzt erst ein, wenn der Gläubiger den Versagungsgrund glaubhaft gemacht hat

Prinzipiell kann der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung bis zum Schlusstermin gestellt werden. Er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Dabei ist es ausschließlich Sache des Gläubigers, bis zum Schlusstermin die zur Glaubhaftmachung notwendigen Beweismittel beizubringen. Ausnahmsweise genügt eine schlüssige Darstellung der Tatsachen, wenn der antragstellende Gläubiger den Versagungsantrag auf unstreitige Tatsachen stützt.

Auch wenn die vom Antragsteller behaupteten Tatsachen vorliegend unstreitig blieben und deshalb keiner Glaubhaftmachung bedurften, war der Versagungsantrag des Gläubigers dennoch unzulässig. Denn allein auf der Grundlage der von ihm bis zum Schlusstermin angeführten Tatsachen, die er dem Bericht der Insolvenzverwalterin entnommen hatte, waren die Voraussetzungen eines Versagungsgrundes noch nicht erfüllt.

Hinzu kommt, dass der unschlüssige Vortrag des Gläubigers innerhalb dieses kontradiktorisch ausgestalteten Verfahrensabschnitts weder die Pflicht noch die Befugnis zur amtsseitigen Ermittlung weiteren Sachverhaltes begründet hat. Weil außerdem das Nachschieben und die Glaubhaftmachung von Versagungsgründen im Beschwerdeverfahren unzulässig sind und deshalb die erst nach dem Schlusstermin und im Zuge der Amtsermittlung erlangten Erkenntnisse der Bundesagentur für Arbeit nicht berücksichtigt werden durften, war der Versagungsantrag unzulässig.

Aus diesem Grunde waren die Voraussetzungen des Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO mit dem Vorbingen des Gläubigers nicht erfüllt. Denn nach dessen Antrag war davon auszugehen, dass der Schuldner einerseits ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von EU 2.712,70 bezog und er andererseits bei gehörigem Bemühen an anderer Stelle EUR 2.800,00 brutto im Monat hätte verdienen können.

Dies ist jedoch nicht zu beanstanden. Es kommt nicht darauf an, ob der Schuldner ein monatliches Bruttogehalt von bis zu EUR 6.900,00 hätte erzielen können, wie es ihm erst nach dem Schlusstermin und nur amtsseitig angekreidet worden ist.

Das vom Schuldner erzielte Geldeinkommen und die von ihm bezogene Sachleistung waren gemäß § 850 e Nr. 3 S. 1 ZPO zu einem Gesamteinkommen in Höhe von EUR 2.712,70 brutto zu addieren. Die erhaltenen Bezüge und der Ansatz des Dienstwagens mit EUR 1.012,70 brutto im Monat waren als tatsächliches Einkommen des Schuldners unstreitig. Den hieraus pfändbaren Betrag hatte der Schuldner ebenso unstreitig an die Masse abgeführt.

Dass der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübte oder die tatsächlich erzielte Vergütung des Schuldners unangemessen niedrig war, hat der Gläubiger in seinem Versagungsantrag nicht hinreichend dargelegt. Dieses wurde in dem Bericht der Insolvenzverwalterin, auf den sich der Antragsteller ausschließlich berufen hat, auch nicht erwähnt.

Dementsprechend beschränkt sich das vom Gläubiger zur Begründung seines Antrags herangezogene Fehlverhalten des Schuldners auf die nicht klar umrissene Aussage, dass der Schuldner ein höheres Gehalt hätte erzielen können. Mangels entsprechender Glaubhaftmachung war der Versagungsantrag unzulässig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die vom Beschwerdegericht erst nach dem Schlusstermin durchgeführte Amtsermittlung ergeben hat, dass ein Maschinenbauingenieur tatsächlich weitaus mehr verdienen kann als die besagten EUR 2.712,70.

Denn die Sperre, die der Schlusstermin für die Plausibilisierung und Glaubhaftmachung von Versagungsgründen bildet, darf nicht unterlaufen werden. Andernfalls hätte Gläubiger die Möglichkeit, einen unzulässigen indes fristwahrenden Versagungsantrag zu stellen, um diesen dann erst im Beschwerdeverfahren nachzubessern und schlüssig zu machen.

Demzufolge hatte hier die Differenz zwischen dem möglichen Bruttoeinkommen des Schuldners in Höhe von EUR 6.900,00, das die Bundesagentur für Arbeit im Beschwerdeverfahren angegeben hat und dem unstreitigen Schuldnereinkommen in Höhe von EUR 2.712,70 außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist nur die vom Gläubiger vorgetragene Abweichung zwischen dem erzielten Verdienst und einem erzielbaren Einkommen von EUR 2.800,00, die aber mit gerade mal EUR 87,30 nicht dazu führt, dass die vom Schuldner ausgeübte Tätigkeit keine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne des § 287 b InsO darstellt.

Die Ausblendung der vom Beschwerdegericht von Amts wegen gewonnenen Erkenntnisse für die Entscheidung über den Versagungsantrag dürfte für den Gläubiger ärgerlich sein, hätte sein Antrag damit doch durchaus erfolgreich sein können.

Letzten Endes war es aber sein unzulässiger Versagungsantrag, der dem verheißungsvollen Amtsermittlungsverfahren entgegengestanden hat. Womit die Quintessenz bleibt, dass sich Gläubiger, die einen Versagungsantrag gegen ihren Schuldner stellen wollen, nicht damit begnügen sollten, pauschal auf den Verwalterbericht zu verweisen.

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Rechtsanwalt Mike Zerbst

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