Steuerrecht: Aktuelle Entwicklungen bei der Gewerbesteuer

Die Gewerbesteuer weist, auch durch aktuelle Entwicklungen, Besonderheiten auf, die im Steuerrecht stets berücksichtigt werden sollten. Im Bereich der Ertragsbesteuerung gilt in Deutschland seit jeher ein zweistufiges System, das sich aus der klassischen Ertragsbesteuerung und der Gewerbesteuer zusammensetzt.

Ertragsbesteuerung: Zunächst gilt als erste Stufe die klassische Ertragsbesteuerung in Form der Körperschaftsteuer bei Kapitalgesellschaften (insbesondere GmbH, AG und Genossenschaft) bzw. der Zurechnung der Einkünfte zu den Gesellschaftern bei den Personengesellschaften (insbesondere Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie GmbH & Co. KG).

Gewerbesteuer: Daneben findet sich bei allen Gesellschaften, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, als zweite Stufe der Ertragsbesteuerung im weiteren Sinne die Gewerbesteuer.

Trotz ihrer Bedeutung ist die Gewerbesteuer weder in der Frage der persönlichen und sachlichen Steuerpflicht noch in der Frage der Bemessungsgrundlage mit der klassischen Ertragsbesteuerung der ersten Stufe und der entsprechenden steuerlichen Gewinnermittlung harmonisiert, was zu zahlreichen Besonderheiten führt.

Dieser Artikel beleuchtet aktuelle Entwicklungen und Entscheidungen im Bereich der Gewerbesteuer, um die spezifischen Herausforderungen und Besonderheiten dieser Steuerart zu verdeutlichen.

1. Abgrenzung von gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit im steuerlichen Sinne

Insbesondere in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts können sowohl gewerbliche als auch freiberufliche Einkünfte erzielt werden. Zu würdigen ist insoweit die konkret ausgeübte Tätigkeit. Die erforderliche Würdigung der Tätigkeit wird in besonderer Form anhand zweier Fallbeispiele deutlich:

• Bei einem Übersetzungsbüro, in welchem nicht nur die Gesellschafter, sondern auch fremde Dritte als Subunternehmer der Gesellschaft Übersetzungen erstellten, wurde eine gewerbliche Tätigkeit angenommen (BFH, Urteil vom 21.2.2017, VIII R 45/13, BStBl II 2018, 4).

• Bei einer Sozietät aus Patentanwälten wurde dagegen eine freiberufliche Tätigkeit angenommen. Zwar waren in dieser Sozietät nicht nur Patentanwälte deutschen, sondern auch ausländischen Berufsrechts tätig. Letztere wurden jedoch aufgrund direkter Mandatsverträge mit den deutschen Mandanten tätig; die Patentanwälte deutschen Berufsrechts wurden dementsprechend nur im Rahmen ihrer eigenen freiberuflichen Kenntnisse tätig (Finanzgericht Münster, Urteil vom 27. Oktober 2023,14 K1624/21 G, EFG 202 4,368).

Die beiden Entscheidungen verdeutlichen in besonderem Maße, dass im Bereich der freiberuflichen Tätigkeiten die konkrete Art und Weise der Leistungserbringung steuerlich genau zu würdigen ist, um nicht unerwartet in den Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der damit verbundenen Gewerbesteuerbelastung zu geraten.

2. Beginn der sachlichen Steuerpflicht bei Personengesellschaften

Auch im Bereich der Personengesellschaften können sich bei Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit Besonderheiten hinsichtlich des Beginns der sachlichen Steuerpflicht ergeben.

Bei Personengesellschaften beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht mit der Aufnahme der werbenden Tätigkeit. Dies kann zu Besonderheiten führen, wenn beispielsweise im Kalenderjahr der Aufnahme einer Tätigkeit nur vorbereitende Tätigkeiten ausgeübt wurden, die werbenden Tätigkeit am Markt jedoch erst im Folgejahr begonnen werden konnte (so z. B. der Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 1.9.2022, IV R 13/20, Beck RS 2022,27947). Solche Konstellationen können zu Problemen bei der gewerbesteuerlichen Verlustfeststellung führen. Über die Frage des Zeitpunkts, in welchem die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginnt, ist selbständig im Verlustfeststellungsverfahren betreffend die Gewerbesteuer zu entscheiden (BFH, ebenda).

3. Dauer der sachlichen Steuerpflicht bei Umstrukturierungen

Mit Urteil vom 15.6.2023, IV R 30/19, hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb durch eine Personengesellschaft auch dann möglich ist, wenn diese Tätigkeit beispielsweise aufgrund von Umstrukturierungsvorgängen nur für eine juristische oder logische Sekunde ausgeübt wird. Insoweit entsteht ein eigenständiger gewerbesteuerlicher Betrieb, dessen steuerliche Verhältnisse weder mit dem vorhergehenden noch mit dem nachfolgenden Unternehmen in Einklang gebracht werden müssen.

Der Fall illustriert, dass auch bei Umstrukturierungsvorgängen die Besonderheiten des Gewerbesteuerrechts beachtet werden müssen.

4. Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer: Auswirkungen und aktuelle Urteile

Modifikationen im Bereich der Bemessungsgrundlage werden zu Lasten der Unternehmen durch sogenannte Hinzurechnungen vorgenommen. Insoweit wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb um diese Hinzurechnungen erhöht.

Solche Erhöhungen der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage erfolgen insbesondere durch die Hinzurechnung von Teilbeträgen von Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG). Dies führt dazu, dass Gewerbebetriebe, die Grundstücke anmieten, insoweit einen höheren Gewerbeertrag erzielen als Gewerbebetriebe, die ein Eigentumsobjekt selbst nutzen.

Beim Bundesfinanzhof ist unter dem Az. III R 24/23 ein Revisionsverfahren zur Klärung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen diese Mehrbelastung anhängig.

5. Kürzungen bei der Gewerbesteuer: Bedingungen und aktuelle Entwicklungen

Im Gegenzug zu den Hinzurechnungen werden im Bereich der Gewerbesteuer Kürzungen vom Gewinn aus Gewerbebetrieb zugunsten der Gewerbebetriebe angesetzt.

Im Bereich der Kürzungen findet insbesondere eine Berücksichtigung der Tatsache statt, dass Grundstücke im Eigentum bereits der Grundsteuer unterliegen.
Eine Besonderheit besteht insoweit für Gesellschaften, die einen Gewerbebetrieb unterhalten, der im Grundsatz nur eigenen Grundbesitz verwertet, die auf diese Verwertung entfallenden Gewinne insgesamt bei der Ermittlung des gewerbesteuerpflichtigen Ertrages kürzen kann (sogenannte erweiterte Kürzung § 9 Nr. 1 S. 2 ff. Gewerbesteuergesetz). Voraussetzung ist jedoch, dass der steuerliche Gewerbebetrieb ausschließlich diese Tätigkeiten ausübt.

Mit Urteil vom 26. 6. 2023,10 K 2800/20 G (rechtskräftig) entschied das Finanzgericht Düsseldorf, dass die Mitvermietung besonderer Vorrichtungen innerhalb des Gebäudes dem Prinzip der Ausschließlichkeit noch nicht entgegensteht.

Die Entscheidung verdeutlicht jedoch, dass bei der Nutzung der Vergünstigung aufgrund der sogenannten erweiterten Kürzung die tatsächlich durchgeführte Tätigkeit der Gesellschaft sehr genau zu prüfen ist.

6. Verlustfeststellung bei der Gewerbesteuer: Wichtige Regelungen und Verfahren

Da die Gewerbesteuer eine eigenständige Steuerart gegenüber der Einkommensteuer bzw. der Körperschaftsteuer ist, gilt auch ein eigenständiges System der Verlustfeststellung.

Allerdings besteht eine im Einzelnen sehr komplizierte Verzahnung des Veranlagungsverfahrens im Bereich der Gewerbesteuer mit dem Verfahren zur Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Rahmen der Einkommensbesteuerung (bei Einzelkaufleuten) sowie der Körperschaftsteuer (insbesondere bei Kapitalgesellschaften) und der Gewinnfeststellung (insbesondere bei Personengesellschaften). Die Einzelheiten regelt § 35b GewStG.

Zu Einzelheiten des Verfahrensrechts nimmt die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11.1.2024, IV R 25/21, Stellung.

7. Zerlegung des Gewerbeertrags: Verfahren und Herausforderungen

Eine weitere Besonderheit des Gewerbesteuerrechts ist die sogenannte Zerlegung. Eine solche Zerlegung kommt zur Anwendung, wenn ein Gewerbebetrieb über Betriebsstätten in verschiedenen Kommunen verfügt. In diesem Fall muss der Gewerbeertrag auf diese Kommunen verteilt, d. h. zerlegt werden. Zerlegungsmaßstab ist insoweit grundsätzlich die jeweilige Summe der Arbeitslöhne.

Ferner gelangt das Verfahren der Zerlegung zur Anwendung, wenn sich eine Betriebstätte auf das Gebiet mehrerer Kommunen erstreckt (sogenannte mehrgemeindliche Betriebstätte). Zu den Besonderheiten der Zerlegung in diesen Fällen nimmt das Urteil des BFH vom 14.12.2023, IV R 2/21, Stellung.

8. Fazit: Gewerbesteuerliche Besonderheiten bei der Ertragsbesteuerung stets berücksichtigen

Die aktuellen Fallbeispiele zeigen auf, dass die Besonderheiten der Gewerbesteuer im Bereich der Ertragsbesteuerung neben der klassischen ertragsteuerlichen Beratung stets beachtet werden müssen.

Die Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit, die Bestimmung des Beginns und der Dauer der sachlichen Steuerpflicht sowie die Regelungen zu Hinzurechnungen und Kürzungen erfordern eine detaillierte und individuelle Prüfung. Auch die Besonderheiten bei der Verlustfeststellung und der Zerlegung des Gewerbeertrags auf verschiedene Kommunen stellen zusätzliche Herausforderungen dar. Eine umfassende steuerliche Beratung muss daher stets die spezifischen Regelungen und aktuellen Entwicklungen im Bereich der Gewerbesteuer einbeziehen, um unvorhergesehene steuerliche Belastungen zu vermeiden.

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Dr. Jasper Stahlschmidt

Über den Autor

Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater Martin Rekers LL.M. Eur. LL.M. Steuern

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